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Graz, 15. Januar 2016
Wikipedia ist 15
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia ging erstmals am 15. Jänner 2001 unter der Adresse www.wikipedia.com ins Netz. Mittlerweile ist ein Leben ohne Wikipedia für online vernetzte und Inhalte recherchierende Menschen nicht mehr vorstellbar. Pünktlich zum Geburtstag gibt es Würdigungen ebenso wie Kritik…
Das Jubiläum ist auch ein guter Anlass, ein paar grundlegende Dinge in Erinnerung zu rufen: Als Wikipedia 2001 ins Netz ging, war ein guter Teil der Sites nicht nur kommerziell orientiert — „das Internet“ hatte noch viele blühende Reservate unterschiedlichster Gegen- und Subkulturen. Der Kampf um Aufmerksamkeit mit rein kommerziellen Anbietern von Produkten, Waren, Dienstleistungen und Inhalten aller Art war zwar schon verloren, die Stimmen der Nicht-Kommerziellen waren aber auch noch für die breite Masse der Netznutzer gut zu vernehmen.
Das Projekt Wikipedia nutzte von Beginn an die seit den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts existierende Wiki-Software — ein frühes Content‑, Community- und Collaboration-Management-System (das heute noch an Universitäten und ähnlichen Einrichtungen eifrig gepflegt wird) — und war von Beginn an als nicht gewinnorientiertes System zur Erstellung eines Online-Lexikons gedacht. Die wesentliche Idee dahinter: Jeder und jede Interessierte sollte Einträge selbst schreiben, bearbeiten und diskutieren können. All das natürlich ehrenamtlich, ganz einfach, um das Wissen der Welt in möglichst objektiver und lebendiger Form greifbar zu machen. Die Idee war ein voller Erfolg, Wikipedia wuchs und durch die vielen Autorinnen und Autoren war die Qualität der Einträge erstklassig.
German wikipedia main page, 27th January 2004 / Wikimedia Commons
Die Geschichte von Wikipedia zeigt aber auch die Probleme des Erwachsenwerdens: Status- und Revierkämpfe brechen aus, man sammelt ganz neue Erfahrungen, sucht seinen Platz in der Gesellschaft. Mittlerweile ist es nicht mehr so einfach, einen Artikel in Wikipedia neu zu schreiben oder bestehende Artikel zu ändern. Die eingesessene Autorengemeinde wacht mit Argusaugen über alles, was neu daherkommt. Und „im Internet“ kommt eben nicht immer „Gutes“ daher; auch offene Systeme müssen sich unweigerlich klare Regeln, Zugangs- und Qualitätskriterien geben.
Einer der Kritikpunkte lautet heutzutage also: Aus der „offenen Autorencommunity“ sei eine eher „geschlossene Gesellschaft“ geworden. Die Zahl der Mitschreiber am Online-Lexikon nimmt ab, was natürlich auch Qualität und Quantität der Einträge gefährdet. Und die ständig steigende Nutzung von Angeboten auf mobilen Geräten birgt für Wikipedia ebenfalls eine grundlegende Herausfoderung.
Hier nun eine Auswahl weiterführender Beiträge zum Thema:
» ORF Science online
» Der Standard
» Deutschlandradio Kultur
» Die Welt
» Die Zeit
Ich erlaube mir zum Schluss noch ein paar ganz persönliche Gedanken: Als Christian Eigner (ausgehend vom Grazer „Forum Stadtpark“) und ich im Jahr 1997 begonnen haben, mit „Zum Thema:“ eines der ersten journalistisch anspruchsvollen E‑Zines im deutschsprachigen Raum zu lancieren und daraus innerhalb von zwei Jahren eine Plattform mit hochwertigem Content, spezialisierten Web-Suchmaschinen und einem Experten-Matching-Tool entwickelten (genannt „21stChannels“), war die Welt noch eine andere.
Christian Eigner (re.) und Franz Zuckriegl in einer frühen Schaffensphase (2000)
„Google“ war noch unbekannt, „facebook“ noch lange nicht erfunden, die größten Suchmaschinen hießen „Yahoo!“ und „AltaVista“, das große neue und v.a. wirtschaftlich erfolgreiche Ding nannte sich „Amazon“ (und wirtschaftlicher Erfolg war im Internet in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts eher die Ausnahme als die Regel). Die Geschäftsmodelle waren noch nicht gefunden. Christian Eigner hat zur Jahrtausendwende diese erste Hoch-Zeit der neuen Medien und neuen Ökonomien in seinem Buch Matching.Net sehr anschlaulich beschrieben.
Anfang der Zweitausenderjahre tauchte dann das neue Online-Lexikon auf. Und ich kann mich noch gut an die Diskussionen in der Netzgemeinde erinnern, ob dieses sich neu entwickelnde „Inhalte- und Meinungsmonopol“ nun gut für die Netzkultur sei oder eher eine Gefahr. Fünfzehn Jahre später zählt Wikipedia zum fixen Online-Inventar und wir sind schon wieder froh über jede gemeinwohl- und inhaltsorientierte Organisation, die auf der Idee der freien Meinung aufgeklärter, freier Bürger basiert.
Es freut mich, dass mit Wikipedia eine wichtige Quelle überlebt hat, die nicht ausschließlich kommerziellen Interessen folgt und immer noch das Prinzip der „Weisheit der Vielen“ hochhält…
Viel Erfolg weiterhin, geschätzte Wikipedia!
Das wünscht
Franz Zuckriegl (fz)
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